Migräne und Tinnitus
Tinnitus gilt nicht als ein typisches Symptom von Migräne. Doch Forschungsergebnisse aus den vergangenen Jahren geben Hinweise, dass es durchaus einen Zusammenhang zwischen Migräne und solchem vorübergehenden oder anhaltenden Ohrgeräusch gibt.
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Was ist ein Tinnitus?
Als Tinnitus (vom lateinischen Wort tinnire, zu Deutsch „klingeln“) bezeichnet die Medizin Ohrgeräusche, die wiederkehrend oder anhaltend auftreten und von den Betroffenen als störend empfunden werden. Bis auf wenige Ausnahmen (zum Beispiel Strömungsgeräusche in den Blutgefäßen) gibt es keine objektive Ursache, sondern die Betroffenen nehmen die Töne subjektiv wahr. Am häufigsten manifestieren sie sich als hohes Pfeifen oder tiefes Rauschen, aber auch Pochen, Klicken und Summen sind möglich. Es gibt viele belegte und vermutete Ursachen, als wesentlicher Risikofaktor gilt aber starke Lärmbelastung, etwa am Arbeitsplatz oder bei Konzerten. Die übermäßige Lautstärke führt wahrscheinlich zu Schädigungen im Innenohr und so zu einer fehlerhaften Schallverarbeitung. Ein Tinnitus kann sowohl ein- als auch beidseitig auftreten und an- oder abschwellen. Hält er länger als drei Monate an, gilt er als chronisch.1,2,3,4
Migräne und Tinnitus: Welchen Zusammenhang gibt es?
Menschen mit Migräne nehmen häufiger einen Tinnitus wahr als gesunde Menschen.5,6 Eine taiwanesische Studie kam zu dem Ergebnis, dass Studienteilnehmer mit Migräne Ohrgeräusche und Hörstörungen 2,7-mal häufiger als die Kontrollgruppe erfuhren. Das galt vor allem für Tinnitus, aber auch für Höreinschränkungen oder plötzlichen Hörverlust. Die Symptome traten nicht immer gemeinsam mit Kopfschmerzen auf, daher müsse die Form einer cochleären Migräne in Betracht gezogen werden. Der Begriff Cochleär beschreibt Zusammenhänge, die die Hörschnecke (Cochlea) betreffen.7,8
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Eine Auswertung relevanter Studien und Literatur zeigte ähnliche Erkenntnisse. Demnach kann Migräne Symptome wie Schwindel, Tinnitus und Hörverlust auslösen – auch ohne den charakteristischen Migränekopfschmerz. Ursächlich sind laut der Auswertung vermutlich die Verbindungen des Trigeminusnervs mit Innenohrstrukturen und die Aktivität des Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) in den knöchernen Hohlräumen des Innenohrs (Labyrinth).9 Der Trigeminusnerv ist der fünfte Hirnnerv und unter anderem für die Übermittlung von Schmerzsignalen im Kopfbereich zuständig.10 CGRP ist ein Eiweißstoff, der aus Nervenzellen freigesetzt wird und eine zentrale Rolle bei Migräne spielt.11
Gibt es spezielle Behandlungsformen für einen Tinnitus bei Migräne?
Häufig lässt sich bei einem chronischen Tinnitus keine behandelbare Ursache ermitteln. Die Therapie stellt dann ein sogenanntes Tinnitus-Counseling in den Mittelpunkt – eine umfassende Aufklärung und Beratung. Ergänzend können eine Tinnitus-spezifische Verhaltenstherapie, Entspannungstechniken und hörverbessernde Maßnahmen (etwa durch Hörgeräte) hinzukommen. Die Betroffenen sollen dadurch eine Habituation erreichen, also eine Gewöhnung. Das bedeutet, dass sie den Tinnitus als weniger störend wahrnehmen oder dass er idealerweise gänzlich aus der Wahrnehmung verschwindet.2,3
Ein akuter Tinnitus wird in der Regel mit einer Kortison-Therapie behandelt.2,3 Gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang mit Migräne, können Migräne-Medikamente wie Triptane den Tinnitus unter Umständen positiv beeinflussen. Die Forschung sieht hier bislang aber nur Hinweise, therapeutische Empfehlungen der Leitlinie gibt es diesbezüglich nicht.5
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Quellen
1 HNO-Ärzte im Netz: Was ist Tinnitus? Abgerufen unter: https://www.hno-aerzte-im-netz.de/krankheiten/tinnitus/was-ist-ein-tinnitus.html (Stand: 09.07.2024)
2 Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. (DGHNO-KHC): S3-Leitlinie Chronischer Tinnitus AWMF-Register-Nr. 017/064. Abgerufen unter: https://register.awmf.org/assets/guidelines/017-064l_S3_Chronischer_Tinnitus_2021-09_1.pdf (Stand: 19.04.2024)
3 Patientenleitlinie Chronischer Tinnitus AWMF-Register-Nr. 017/64 Klasse S3. Abgerufen unter: https://www.hno-aerzte-im-netz.de/fileadmin/user_upload/AktuellePatientenleitlinieS3_Chronischer_Tinnitus.pdf (Stand: 09.07.2024)
4 HNO-Ärzte im Netz: Risikofaktoren. Abgerufen unter: https://www.hno-aerzte-im-netz.de/krankheiten/tinnitus/ursachen-risikofaktoren.html (Stand: 09.07.2024)
5 Goshtasbi K, Abouzari M, Risbud A, Mostaghni N, Muhonen EG, Martin E, Djalilian HR. Tinnitus and Subjective Hearing Loss are More Common in Migraine: A Cross-Sectional NHANES Analysis. Otol Neurotol. 2021 Oct 1;42(9):1329-1333. doi: 10.1097/MAO.0000000000003247
6 Lugo A., Edvall N. .K, Lazar A., Mehraei G., Lopez-Escamez J. A., Bulla J., Uhlen I., Canlon B., Gallus S,, Cederroth C, R.(2020) Relationship between headaches and tinnitus in a Swedish study. Sci Rep., 10(1):8494. doi: 10.1038/s41598-020-65395-1
7 Bublak, R. Cochleäre Migräne — gibt es sie wirklich?. HNO Nachrichten 48, 8 (2018). Abgerufen unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s00060-018-5731-8 (Stand: 09.07.2024)
8 Hwang J. H., Tsai S. J., Liu T. C., Chen Y. C., Lai J. T. (2018) Association of Tinnitus and Other Cochlear Disorders with a History of Migraines. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg, 144(8):712-717. doi: 10.1001/jamaoto.2018.0939
9 Brooks K. A., Tawk K., Djalilian H. R., Hobson C. E. (2023) Migraine management for the otolaryngologist. Laryngoscope Investig Otolaryngol, 8(4):1080-1093. doi: 10.1002/lio2.1109
10 Neurologen und Psychiater im Netz: Ursachen & Auslöser von Migräne. Abgerufen unter: https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/neurologie/erkrankungen/migraene/ursachen/ (Stand: 09.07.2024)
11 Spektrum der Wissenschaft: CGRP. Abgerufen unter: https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/cgrp/2037 (Stand: 09.07.2024)