Bei Migräne: Autogenes Training kann helfen
Stress abbauen, Ängste überwinden oder Migräne vorbeugen – mit autogenem Training lassen sich diese Ziele erreichen. Das Entspannungsverfahren nutzt dafür die Kraft der Gedanken. Einmal erlernt, lässt es sich fast überall anwenden. Informiere dich hier, was autogenes Training ist und wie es wirkt. Dazu bekommst du Übungen an die Hand, damit du direkt starten kannst.
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Was möchtest du wissen?
Definition: Was ist autogenes Training?
Bei autogenem Training handelt es sich um ein Entspannungsverfahren, welches sich die Verbindung zwischen Körper und Geist zu Nutze macht. Die psychotherapeutische Methode basiert auf der Erkenntnis, dass sich mit Kraft der Gedanken der Körper beeinflussen lässt.
Im Alltag reguliert der Organismus eine Vielzahl an Prozessen selbstständig. Dazu gehört zum Beispiel der Herzschlag oder die Atmung: Wir können daran kaum etwas ändern. Für die Regulation hat jeder Mensch ein autonomes Nervensystem, bestehend aus zwei Schaltkreisen:
- Der Sympathikus ist für Anspannung zuständig und wird immer dann aktiv, wenn wir in eine stressige Situation geraten. Er veranlasst zum Beispiel, dass sich Herzschlag und Atmung beschleunigen.
- Der Parasympathikus löst Entspannung aus und ist in Ruhephasen aktiv.
In der heutigen Zeit stehen viele Menschen ständig unter Strom: Job, Familie und die Omnipräsenz der Medien lassen wenig Zeit zum Durchatmen. Oftmals führen diese Mehrfachbelastungen zu einem Ungleichgewicht zwischen Anspannung und Entspannung: Der Sympathikus ist überaktiv, während der Parasympathikus kaum mehr zum Zuge kommt. Das kann zu vielerlei Beschwerden wie Bauchschmerzen oder Migräne führen. Autogenes Training hilft dabei, die beiden Systeme wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Dafür lernen die Patienten, eigentlich unbewusst ablaufende Prozesse aktiv zu beeinflussen.
Aufbau und Wirkungsweise des autogenen Trainings
Die erfolgreiche Entspannungsmethode soll das autonome Nervensystem wieder in Balance führen. Autogenes Training findet oft Anwendung bei:
- Migräne
- Spannungskopfschmerzen
- Bauchschmerzen
- Angstzustände
- Schlafstörungen
- Dauerstress
- Suchterkrankungen
Zusätzlich kann die Technik helfen, die Konzentrationsfähigkeit sowie Kreativität zu verbessern und sich insgesamt wohler und ausgeglichener zu fühlen.
Für autogenes Training nutzt du die Kraft deiner Gedanken, um deinen Körper in einen Entspannungszustand zu bringen. Denn wenn du dir intensiv etwas vorstellst, kann das zu (messbaren) Reaktionen in deinem Körper führen. Das Training ist in drei verschiedene Stufen eingeteilt. Die Unterstufe beginnt immer mit den Übungen Ruhe, Wärme und Schwere. Darauf aufbauend folgen die sogenannte Mittel- und die Oberstufe.
Wie kann autogenes Training gegen Migräne helfen?
Die Leitlinie zur Therapie und Prophylaxe von Migräne empfiehlt Entspannungsverfahren als vorbeugende Maßnahme.1 Darunter fällt auch das autogene Training. Es löst Stresszustände sowie Ängste. Denn bei manchen Patienten führt allein die Angst vor Migräne zu einer Attacke.
Noch dazu verbessert sich damit die Selbstkontrolle der Patienten. Sie lernen, die Durchblutung gezielt zu steigern, was idealerweise überaktive Gehirnzellen abdämpft. Ein weiterer Vorteil: Entspannungstechniken erhöhen die Schmerztoleranz. Das kann sich nicht nur vorbeugend auszahlen, sondern auch akute Kopfschmerzphasen verkürzen.
Wichtig zu wissen: Autogenes Training bedarf einiger Übung. Je besser der Patient die Methode vertieft hat, desto effektiver und schneller entfaltet sie ihre Wirksamkeit.
Interessant: Neben autogenem Training hat sich auch die progressive Muskelentspannung (PMR) bei Migräne bewährt. Diese Methode lässt sich noch etwas leichter erlernen und gilt ebenfalls als äußerst effektiv.
Autogenes Training: Übungen
Für das autogene Training gibt es verschiedene Körperhaltungen, die du einnehmen kannst:
- Liegehaltung: Du legst dich bequem auf den Rücken, die Arme hast du neben dir. Stütze Kopf und Kniekehlen je durch ein weiches Kissen.
- Lehnsesselhaltung: Du sitzt auf einem Sessel, an dessen Lehne du dich locker anlehnst. Die Füße stehen auf dem Boden, die Arme liegen auf deinem Schoß oder auf den Lehnen.
- Droschkenkutscherhaltung: Setz dich an die vordere Kante eines Stuhls und lass den Oberkörper soweit hängen, dass die Ellenbogen auf den Oberschenkeln aufliegen. Der Kopf ist gebeugt, die Arme hängen zwischen den Beinen herunter.
Übe regelmäßig, am besten sogar mehrmals täglich, damit sich dein Körper daran gewöhnt.
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Autogenes Training: Übungen der Grundstufe
Mit den Grundübungen kannst du dich entspannen und lernen, körperliche Vorgänge zu beeinflussen:
- Schwereübungen: Nimm dir ein Körperteil vor, konzentriere dich darauf und sage dir innerlich: Mein Arm ist ganz schwer. Mit der Zeit stellt sich das Gefühl der Schwere tatsächlich ein.
- Wärmeübung: Hier stellst du dir vor, dass ein Teil von dir warm wird, etwa mit den Worten: Mein Arm ist angenehm warm.
- Herzübung: Konzentriere dich auf dein Herz, damit es sich beruhigt. Mögliche Worte: Mein Herz schlägt ruhig und gleichmäßig.
- Atemübung: Nimm deine Atmung bewusst wahr und denke dabei: Mein Atem fließt ruhig.
- Sonnengeflechtsübung: Das Sonnengeflecht liegt im Oberbauch. Die Konzentration auf den Bereich soll die Verdauungsorgane entspannen. Dafür lassen sich zum Beispiel die Worte „Das Sonnengeflecht ist strömend warm“ verwenden.
- Kopfübung: Gerade für Personen mit Migräne kann die Kopfübung besonders wertvoll sein. Dabei richtest du die Worte „Meine Stirn ist angenehm kühl“ an dich. Falls du das als unangenehm wahrnimmst, kannst du auf das Mantra „Mein Kopf ist leicht und frei“ ausweichen.
Starte zunächst mit einer der Grundübungen, wie zum Beispiel der Wärmeübung. Hast du sie einige Tage trainiert und spürst du eine Veränderung, dann nimm die Schwereübung dazu. Verwende immer die gleichen Worte, damit eine Konditionierung eintritt.
Beende das Training stets mit einer Rücknahme. Damit schließt du das Training ab und verhinderst, dass du dich müde oder benommen fühlst. Eine mögliche Formel lautet „Arme fest. Augen auf. Atmung tief.“ Sprich die Worte laut aus. Wenn allerdings das autogene Training als Einschlafhilfe verwenden möchtest, verzichte auf die Rücknahme.
Autogenes Training: Die Mittelstufe
Die Übungen aus der Mittelstufe bilden den Übergang zur Oberstufe. Dabei werden Vorsätze oder Ziele positiv formuliert, also ohne Verneinung, aber auch ohne Zwang („muss“). Beispiele sind:
- Ich bin selbstbewusst.
- Ich bin ruhig und gelassen.
- Ich schlafe tief und fest.
Bevor du die Mittelstufe startest, führe zunächst einige Minuten Übungen der Grundstufe durch. Deine persönlichen Ziele legst du am besten mit einem Trainer zusammen fest.
Autogenes Training: Die Oberstufe
Bei der Oberstufe gelangen die Übenden in eine Art Trance, einen Zwischenzustand zwischen Wach und Traum. Sie entwickeln Bilder, die ins Bewusstsein gelangen. Therapeuten nutzen die Technik auch zur Konfliktbewältigung und zu einer vertieften Selbsterkenntnis.
Für wen ist autogenes Training geeignet und wo lässt es sich erlernen?
Prinzipiell kann jeder die Entspannungstechnik erlernen, sogar Kinder. Auch zur Behandlung von psychischen oder psychosomatischen Störungen ist sie geeignet. Voraussetzung ist, dass die Übungen richtig gelernt und angewendet werden. Die Personen sollten sich gut konzentrieren und klar denken können.
Dennoch bedarf autogenes Training einiges an Erfahrung, bevor sich ein Erfolg einstellt. Ebenso kann es sein, dass manche Personen besser mit anderen Entspannungsverfahren zurechtkommen oder damit gar nichts anfangen können. Sie fühlen sich vielleicht beim Ausdauersport wohler.
Autogenes Training kannst du selbst zu Hause lernen. Besser aber, du besuchst einen Kurs. Ob Einzel- oder Gruppensitzung, dort lernst du das Verfahren von Grund auf kennen. So schleichen sich keine falschen Übungsgewohnheiten ein und falls eine ungewollte Wirkung auftritt, zum Beispiel Angstgefühle oder Hitzewallungen, hilft ein Therapeut direkt weiter.
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1Diener H.-C., Gaul C., Kropp P. et al., Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, S1-
Leitlinie, 2022, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Abgerufen unter: https://dgn.org/leitlinien (letzter Aufruf am 04.11.2024)