Sonderformen der Migräne im Überblick
Es gibt mehr als 240 verschiedene Kopfschmerzarten.1 Eine davon ist die Migräne. Aber auch sie hat viele Gesichter – mehrere Sonderformen und unterschiedliche Schweregrade sind möglich. Doch was ist zum Beispiel unter episodischer Migräne zu verstehen und ab wann wird sie chronisch? Welche Migränearten sind besonders schwer? Und was kennzeichnet seltene Migräne-Formen wie die Migralepsie? Dazu gibt es mittlerweile klare Definitionen. Hier findest du alle aktuellen Informationen!
Inhaltsverzeichnis

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Definitionen: Chronische und episodische Migräne
Die Internationale Kopfschmerzklassifikation (ICHD) definiert, wann eine Migräne als episodisch oder chronisch eingestuft wird, folgendermaßen:2
- Patienten mit einer episodischen Migräne haben an bis zu 14 Tagen pro Monat Migräne, die den Kriterien einer Migräne ohne Aura oder mit Aura entspricht.
- Bei einer chronischen Migräne leiden Betroffene über mindestens zwei Monate an 15 und mehr Tagen im Monat an Kopfschmerzen; an mindestens acht Tagen davon treten zusätzlich weitere typische Migräne-Symptome auf.3
Was ist die ICHD?
„Kopfschmerzen“ – ein Begriff, der im täglichen Sprachgebrauch häufig vorkommt. In der ärztlichen Behandlung ist er jedoch wenig hilfreich, da die verschiedensten Arten gemeint sein können. 1988 befasste sich die Internationale Kopfschmerzgesellschaft (IHS) mit einer Klassifizierung der einzelnen Kopfschmerzarten und veröffentlichte zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstmals einen Katalog, der genaue Definitionen für unterschiedliche Kopfschmerzarten und Sonderformen der Migräne enthielt: die ICHD.
Neben dem gesundheitlichen Aspekt geht eine Migräne außerdem mit erheblichen finanziellen Auswirkungen einher – sowohl persönlich als auch gesellschaftlich. So waren von den Patienten mit einer chronischen Migräne etwa 57 Prozent in einem Zeitraum von drei Monaten an mindestens fünf Tagen krankgemeldet. Im Vergleich dazu haben im selben Zeitraum etwa 24 Prozent der Erkrankten mit einer episodischen Migräne die gleiche Anzahl an Tagen gefehlt.4
Das chronische Leiden verursacht außerdem häufige Arztbesuche oder Aufenthalte in der Notaufnahme und ist deshalb auch mit höheren medizinischen Kosten verbunden.
Schwere Migräne-Sonderform: Status migränosus
Der Status migränosus ist eine schwerwiegende Komplikation, bei der eine Migräne-Attacke drei Tage und darüber hinaus anhält.5 Bei dieser Sonderform der Migräne leiden die Betroffenen besonders stark. Ärzte konnten bisher drei verschiedene Typen des Status migränosus ausmachen:
- Medikamenteninduziert: Hierbei liegt ein Übergebrauch an Schmerzmitteln der Attacke zugrunde.
- Menstruationsassoziiert: Vermutlich steckt die monatliche Schwankung des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen hinter dem Status migränosus, den manche Frauen während der Menstruation erleiden.
- Therapieresistent: Hier wirken die sonst üblichen Medikamente zur Migräne-Therapie nicht.
Die Behandlung des Status migränosus ist eine Herausforderung. Manche Patienten müssen stationär ins Krankenhaus aufgenommen und therapiert werden, damit sich ihr Zustand wieder verbessert.
Migralepsie – eine seltene Form der Migräne
Bei der Migralepsie kommen zwei Krankheiten zusammen, die eng miteinander verwandt zu sein scheinen: Migräne und Epilepsie. Die Migralepsie ist selten. Dabei kommt es innerhalb einer Stunde nach einer Migräne mit Aura zu einem epileptischen Anfall.6 Unabhängig davon überschneiden sich die beiden Krankheiten in einigen Punkten, etwa bei den Symptomen oder den Abläufen im Gehirn. So sind beide unter anderem durch starke Kopfschmerzen und Schwindel gekennzeichnet. Zudem können sich Migräne und Epilepsie gegenseitig auslösen. Als wichtigstes Unterscheidungsmerkmal gilt der zeitliche Ablauf einer Attacke: Während sich Migräne eher langsam ankündigt, tritt ein epileptischer Anfall plötzlich auf.
Migränöser Infarkt als gefährliche Migräne-Sonderform
In seltenen Fällen entwickelt sich aus der Auraphase einer Migräne ein Schlaganfall: Ärzte sprechen von einem migränösen Infarkt. Charakteristisches Symptom dafür ist, dass die Aura über eine Stunde anhält und anders verläuft als sonst.7 So bilden sich oftmals ungewöhnliche oder neue Symptome aus. Zudem können sich Beschwerden zeigen, die auf einen Schlaganfall hindeuten, zum Beispiel
- halbseitige Lähmungen von Gliedmaßen oder dem Gesicht
- Schwindel
- Sprachstörungen

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Persistierende Migräne-Aura ohne Hirninfarkt
Diese Migräne-Sonderform kommt ebenfalls selten vor und überschneidet sich teilweise mit einem migränösen Infarkt. Denn auch hier hält der Aura-Zustand länger als normal an (fachsprachlich „persistierend“). Allerdings kommt es nicht zu einem Hirninfarkt. Folgende Kriterien definieren eine persistierende Migräne Aura ohne Hirninfarkt:8
- Symptome einer Aura bestehen mindestens über eine Woche hinweg.
- Bei einer bildgebenden Untersuchung des Gehirns (zum Beispiel einer Magnetresonanztomografie (MRT)) lassen sich keine Hinweise auf einen Schlaganfall feststellen.
- Eine andere Diagnose kann die Beschwerden des Patienten nicht besser erklären.
Betroffene empfinden die Beschwerden beidseitig. Sie bemerken beispielsweise Lichtblitze, ein Kribbeln auf der Haut oder Störungen beim Sprechen. Manche Berichte schildern Symptome, die über Wochen bis Monate anhalten. Auch wenn der Zustand belastend ist, das Gehirn wird dadurch nicht geschädigt. Eine Behandlung der persistierenden Migräne-Aura ist schwierig. Bisher gibt es keine allgemeingültige Therapieempfehlung. Betroffene können Rat bei einem Facharzt, der auf Migräne spezialisiert ist, oder bei einem Kopfschmerzzentrum suchen.
Sobald ein Verdacht auf einen migränösen Infarkt besteht, muss ein Notarzt gerufen werden. Eine schnelle medizinische Behandlung kann schwerwiegende Folgen möglicherweise noch abwenden.
Was ist eine Augenmigräne?
Ähnliche Symptome zu der persistierenden Migräne Aura ohne Hirninfarkt zeigt die Augenmigräne. Hier kommt es ebenfalls zu visuellen Störungen, allerdings halten sie in der Regel nicht länger als eine Stunde an.9 Zusätzliche Beschwerden abseits vom Auge treten nicht auf.
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Quellen
1 Nobis, H.G.: Schmerz – eine Herausforderung, 2016, Berlin [u.a.], S. 22.
2 The International Classification of Headache Disorders 3rd edition (Beta version). Abgerufen unter: https://ichd-3.org/de/1-migrane/1-3-chronische-migraene/ (letzter Aufruf am 04.11.2024).
3 ebd.
4 Totzeck, A. & Diener H. C. (2016): Migräne. In: Gaul, C. & Diener H. C. (Hrsg.): Kopfschmerzen. Stuttgart: Thieme-Verlag. S. 85.
5 IHS Classification ICHD-3. Abgerufen unter: https://ichd-3.org/de/1-migrane/1-4-migraenekomplikationen/1-4-1-status-migraenosus (letzter Aufruf am 04.11.2024).
6 Totzeck, A. & Diener, H.C. (2016): Migräne. In: Gaul, C. & Diener, H. C. (Hrsg.): Kopfschmerzen. Stuttgart Georg Thieme Verlag. S. 64.
7 IHS Classification ICHD-3. Abgerufen unter: https://ichd-3.org/de/1-migrane/1-4-migraenekomplikationen/1-4-3-migraenoeser-infarkt/ (letzter Aufruf am 04.11.2024).
8 IHS Classification ICHD-3. Abgerufen unter: https://ichd-3.org/de/1-migrane/1-4-migraenekomplikationen/1-4-2-anhaltende-aura-ohne-hirninfarkt/ (letzter Aufruf am 04.11.2024).
9 Mayo Clinic: Ocular migraine: When to seek help. Abgerufen unter: https://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/migraine-headache/expert-answers/ocular-migraine/faq-20058113 (letzter Aufruf am 04.11.2024).