Psychotherapie gegen Migräne und Kopfschmerzen
Körper und Geist sind eng miteinander verwoben und beeinflussen sich gegenseitig. Daher kann eine Psychotherapie zur Behandlung von Migräne und Kopfschmerzen durchaus erfolgreich sein. Zum einen hilft eine Verhaltenstherapie dabei, mit den Schmerzen umzugehen und ihnen vorzubeugen. Zum anderen lassen sich psychische Belastungen erkennen und behandeln. Lies hier mehr dazu!
Auf einen Blick:
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Wann kommt eine Psychotherapie gegen Migräne infrage?
Laut der S1 Leitlinie zur Migräne-Therapie, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft der Neurologie sowie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, eignet sich eine Psychotherapie zur Behandlung von chronischer Migräne.1
Info: Was bedeutet chronisch?
Von der chronischen Migräne sprechen Mediziner, wenn Betroffene Kopfschmerzen an mehr als 15 Tagen pro Monat entwickeln, und das über mindestens drei Monate hinweg.2 Dazu müssen an acht Tagen die Kriterien einer Migräne mit Aura oder ohne Aura erfüllt sein.3
Weiterhin profitieren Betroffene von einer psychotherapeutischen Behandlung, wenn sie neben Migräne an weiteren Erkrankungen wie
- Depressionen,
- Angststörungen,
- Burnout oder
- unter belastenden Lebenssituationen (zum Beispiel Scheidung, Arbeitslosigkeit) leiden.
Sinnvoll ist die Therapie auch dann, falls andere Maßnahmen zur Migräne-Prophylaxe nicht den gewünschten Erfolg bringen, etwa die Anwendung von Medikamenten. Manche Patienten wollen keine Arzneimittel einnehmen oder können es nicht, zum Beispiel Schwangere. Andere wiederum nehmen zu viel der Mittel ein. Für diese Gruppen sind psychologische Behandlungen ebenfalls geeignet.
Da jeder Migräne-Patient eine individuelle Krankheitsgeschichte hat, läuft die Psychotherapie zugeschnitten auf die Bedürfnisse jedes einzelnen ab. Hast du also das Verlangen nach einer solchen Therapie, sprich mit deinem Arzt darüber. Er kann dir sicherlich weiterhelfen und möglicherweise einen Experten für Psychologie bei Migräne empfehlen.
Was passiert bei einer Psychotherapie gegen Migräne?
Unter Psychotherapie fassen Fachleute unterschiedliche therapeutische Verfahren zur Behandlung von seelischen Erkrankungen zusammen. Dabei kommen verschiedene Techniken zum Einsatz. Bei Migräne und Kopfschmerzen findet häufig die Verhaltenstherapie Anwendung, ebenso ist die Kombination mit weiteren Methoden wie der Psychoanalyse möglich.
Was bedeutet Verhaltenstherapie?
Diese Therapie fußt auf dem Grundsatz, dass sich neue und günstige Denkweisen sowie Verhaltensmuster erlernen lassen. Über die Jahre eingeschliffene, negative Denkmuster werden zusammen mit dem Therapeuten identifiziert und durch positive ersetzt. Dafür gibt es Techniken, die sich der Patient angeeignet. Letztlich soll er lernen, sich selbst zu helfen.
Ziele der Psychotherapie zur Kopfschmerzen- und Migräne-Behandlung
Neben körperlichen Ursachen spielen vermutlich auch psychologische und soziale Aspekte eine Rolle bei der Entstehung von Migräne. Hier setzt die Psychotherapie mit dem Ziel an, Linderung zu verschaffen.
Am Anfang steht meist eine umfangreiche Aufklärung über die Erkrankung und den Einfluss psychischer Faktoren. Beispielsweise trägt die eigene Grundstimmung dazu bei, wie hoch die Schmerzschwelle ist. Das Wissen über solche und weitere Zusammenhänge stellt für viele Patienten einen ersten wichtigen Schritt zum Umgang mit Migräne dar.
Weitere Techniken, die häufig bei der Psychotherapie gegen Migräne zum Einsatz kommen, sind:
- Stressbewältigung: Wie lässt sich der alltägliche Stress reduzieren und wie kann ich damit umgehen? Bestimmte Verhaltensweisen und Gedanken verstärken den empfundenen Stress. Diese werden aufgedeckt, hinterfragt und schließlich durch hilfreiche und förderliche Gedanken ersetzt.
- Entspannungstechniken: Regelmäßig Körper und Geist zu entspannen, fördert das Wohlbefinden und kann die Schmerztoleranz erhöhen.1 Vor allem als Migräne-Prophylaxe sind Entspannungstechniken beliebt, aber Patienten berichten auch davon, dass sie damit akute Attacken abmildern konnten. Voraussetzung dafür ist, dass Menschen mit Migräne die Technik erlernen und in den Alltag integrieren. Dabei können sie wählen, welche Methode ihnen am meisten zusagt. Besonders empfehlenswert ist die progressive Muskelentspannung, die mit einer schrittweisen An- und Entspannung verschiedener Muskelgruppen arbeitet. Aber auch autogenes Training gilt als gute Alternative.
- Kognitive Therapie: Mithilfe kognitiver Techniken lernt der Patient, sich selbst zu beobachten und dabei Probleme und Blockaden zu erkennen. Anschließend soll er diese neu bewerten, indem er sich zum Beispiel geistig davon distanziert. Für Migräne- und Kopfschmerzpatienten gibt diese Methode wichtige Impulse: Sie merken, dass sie den Schmerzen nicht ausgeliefert sind, sondern erlangen ein Gefühl von Kontrolle. Ihre Selbstwirksamkeit wird gestärkt, während Hilflosigkeit in den Hintergrund tritt.
- Biofeedback: Bei diesem Verfahren lernen Patienten, wie sie Körperfunktionen bewusst beeinflussen und lenken. Biofeedback kann als Alternative zur medikamentösen Prophylaxe von Migräne dienen.1
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Ein weiterer Bestandteil der Therapie ist der Umgang mit Schmerzen während einer akuten Migräne-Attacke.
Leidet der Patient unter weiteren Beschwerden wie Angststörungen, ausgeprägtem Stress oder Depressionen, kann eine psychoanalytische Therapie unterstützend wirken. Hierbei analysiert der Therapeut zusammen mit den Betroffenen den Ursprung negativer Gefühle.
Wie läuft eine Psychotherapie gegen Migräne ab?
Generell sind gut ausgearbeitete Programme zur Migräne-Behandlung vorhanden.1 Die Sitzungen gestalten sich nicht einheitlich, sondern sind individuell auf den Patienten und seine Beschwerden zugeschnitten. Neben Gesprächen gibt es häufig konkrete Übungen, die auch zuhause weiter vertieft werden sollen. So intensivieren die Patienten ihr Wissen und erfahren, wie sie es in den Alltag integrieren können. Einzel- sowie Gruppengespräche sind möglich.
Bedeutung der Psychotherapie bei Migräne
Psychotherapeutische Verfahren wie die Verhaltenstherapie haben sich bei Migräne als effektiv erwiesen: Eine Verringerung der Erkrankung um 40 Prozent ist möglich.4 Besonders vorteilhaft zeigt sich die Kombination aus medikamentöser und nicht-medikamentöser Prophylaxe. Damit kann sogar eine Reduktion von 65 Prozent erreicht werden.5 Eine Psychotherapie führt zudem oftmals dazu, dass Patienten weniger vorbeugende Medikamente einnehmen. Erreichte Verbesserungen durch die kognitive Verhaltenstherapie bleiben bis zu fünf Jahre erhalten.1
Der Weg zum Psychotherapeuten
Du hast dich entschlossen, die Möglichkeiten der Psychologie bei Migräne auszuprobieren? Dann vereinbare am besten einen Termin bei einem Psychotherapeuten oder einem Psychiater, der sich auf Schmerz- und Verhaltenstherapie, bestenfalls auch bei Migräne, spezialisiert hat. Zunächst lernst du deinen Therapeuten im Rahmen eines Erstgesprächs kennen. Darin schildern du dein Anliegen und klärst, ob er dir helfen kann. Anschließend folgen einige weitere Sitzungen, die als Probestunden dienen (probatorische Sitzungen). Hier hast du Zeit herauszufinden, ob die Chemie zwischen dir und deinem Therapeuten stimmt und der gewünschte Behandlungserfolg erreicht werden kann.
In Abhängigkeit des Therapieplans erfolgen dann weitere Sitzungen.
Übernimmt die Krankenkasse eine Psychotherapie bei Migräne?
Diagnostiziert ein Psychotherapeut eine psychische Erkrankung, trägt die Krankenkasse häufig die Kosten für die Therapie. Meist musst du dafür erst einige Probesitzungen durchlaufen haben, welche die Krankenkasse bezahlt. Dann stellst du zusammen mit deinem Therapeuten den Antrag auf Kostenübernahme für die folgende Therapie. Nach der Genehmigung kannst du mit der Behandlung beginnen.
Hinweis: Jede Krankenkasse handhabt das Verfahren anders – egal, ob gesetzlich oder privat. Informiere dich daher zunächst bei deiner Kasse, damit du weißt, wie du vorgehen musst.
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Quellen
1Diener H.-C., Gaul C., Kropp P. et al., Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, S1- Leitlinie, 2018, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. S. 49.
2Deutsche Migräne und Kopfschmerzgesellschaft e.V.: Chronische Migräne: Vorgehen und Empfehlungen. Abgerufen unter: http://www.dmkg.de/kopfschmerz-erkrankungen/stellungnahmen/chronische-migraene-vorgehen-und-empfehlungen.html (Stand: 05.03.2024).
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4Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V.: Psychologie und Kopfschmerz. Abgerufen unter: https://www.dmkg.de/patienten/psychologie-und-kopfschmerzen (Stand: 05.03.2024)
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