Hemiplegische Migräne – Migräne mit motorischer Aura
Die sehr seltene hemiplegische Migräne ist gekennzeichnet durch motorische Ausfälle in Kombination mit mindestens einem weiteren Aura-Symptom, etwa einer visuellen Störung. Lähmungen eines oder mehrerer Gliedmaßen zusammen mit Lichtblitzen sind Beispiele für einen Anfall der hemiplegischen beziehungsweise komplizierten Migräne, genau wie Kopfschmerzen nach der Aura. Allerdings kann es auch zu schweren, unter Umständen lebensbedrohlichen, Migräne-Attacken kommen.
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Komplizierte Migräne: So äußern sich die Anfälle
Die hemiplegische Migräne unterscheidet sich von „normaler“ Migräne. Im Gegensatz zu den bekannteren Formen treten hier Muskelschwäche und eine Aura auf. Das bedeutet, dass Lähmungen der Arme oder Beine in Kombination mit folgenden Beschwerden während eines Anfalls der hemiplegischen Migräne vorkommen können:
- visuelle Aura mit Flackern, Lichtblitzen oder Gesichtsfeldausfällen; teilweise mit Sehverlust
- sensible Störungen, zum Beispiel Taubheitsgefühle oder Kribbel-Missempfindungen
- Sprachprobleme
- Beschwerden der Basilaris-Migräne wie Schwindel oder Tinnitus
Alle diese Merkmale, die zusätzlich zu motorischen Ausfällen bei einer hemiplegischen Migräne erscheinen können, sind reversibel und gehen daher mit dem Ende der Migräne-Attacke zurück. Während Aura-Symptome wie Lichtblitze oder Sprachstörungen nach 5 bis 60 Minuten komplett verschwinden, dauern die motorischen Probleme in der Regel bis zu 72 Stunden an.1
Kopfschmerzen entstehen in der Regel nach den Aura-Symptomen. Möglich ist aber auch, dass sie gar nicht oder schon davor auftreten. Zwischen den Anfällen dieser komplizierten Migräne zeigen 80 bis 90 Prozent der Patienten keine Symptome der neurologischen Ausfälle – 10 bis 20 Prozent leiden dauerhaft an Folgen der Attacken.2 Jede Attacke und die damit verbundenen Symptome können zur besseren Übersicht in einem Migräne-Tagebuch notiert werden. Schwere Fälle der hemiplegischen Migräne können für die Patienten komplizierte Folgen haben: Anhaltende Ausfälle der Motorik, Verwirrtheit, Fieber bis hin zum Koma sowie Symptome, die einem Schlaganfall ähneln, sind möglich.3
Die familiäre hemiplegische Migräne
Innerhalb der hemiplegischen Migräne wird zwischen zwei Patiententypen unterschieden. Diejenigen, die innerhalb der Familie einen Verwandten ersten oder zweiten Grades besitzen, der ebenfalls an der komplizierten Migräne leidet, sind von der sogenannten familiären hemiplegischen Migräne (FHM) betroffen.4 Die Ausprägung der Symptome kann innerhalb der Familie variieren und es betrifft oft bereits Kinder und junge Erwachsene. Die häufigste Ursache der familiären hemiplegischen Migräne ist eine Mutation (Veränderung) in den Genen FHM1, 2 oder 3. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen.5 Vererbt wird das Gen autosomal-dominant. Das bedeutet:
Besitzt beispielsweise der Vater ein verändertes (mutiertes) und ein unverändertes FHM-Gen, die Mutter zwei unveränderte (gesunde) Gene, besteht eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass das Kind auch an der hemiplegischen Migräne leidet.6 Wenn das unveränderte Gen der Mutter mit dem mutierten Gen des Vaters zusammen vererbt wird, bricht beim Kind die Erkrankung aufgrund der dominanten Eigenschaft des FHM-Gens aus.
Die sporadische hemiplegische Migräne
Leidet ein Patient an der hemiplegischen Migräne und besitzt keinen Verwandten mit gleichen Beschwerden, wird die Form als sporadische hemiplegische Migräne (SHM) bezeichnet. Bei dieser Variante der komplizierten Migräne kommen nur in 10 bis 20 Prozent der Fälle Mutationen des FHM-Gens vor.7 Für die restlichen Fälle gibt es noch keine ausreichenden Daten. Die Patienten leiden meistens schon als Kind unter den Beschwerden. Hinzu kommen dann oft anhaltende Begleitsymptome wie Epilepsie. Im Gegensatz zur klassischen Migräne mit Aura tritt sowohl bei der FHM als auch der SHM der Migräne-typische Kopfschmerz bereits während der Aura-Symptome auf.
Diagnose der hemiplegischen Migräne
Die Diagnose einer familiären hemiplegischen Migräne ist im Gegensatz zur sporadischen hemiplegischen Migräne etwas einfacher, da häufig mehrere Familienmitglieder betroffen sind. Dadurch können die Anzeichen genauer zugeordnet werden. Weisen keine Verwandten derartige Symptome auf, ähneln die Merkmale der komplizierten Migräne (zum Beispiel Lähmungen und Sehstörungen) ebenfalls einem Schlaganfall oder anderen neurologischen Störungen. Deswegen sind bildgebende Verfahren des Gehirns (Magnetresonanztomographie) sowie Punktionen der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit (Liquor zerebrospinalis) zur Diagnosestellung unerlässlich.
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Quellen
1 IHS Klassifikation: Hemiplegische Migräne. Abgerufen unter: (Stand: 01.07.2024).
2 Orphanet: Hemiplegische Migräne. Übersetzung der französischen Empfehlungen zur HM-Behandlung. Abgerufen unter: https://www.orpha.net/data/patho/Emg/de/Emergency_HemiplegischeMigraene--dePro1031.pdf (Stand: 01.07.2024).
3 Kumar, A., & Arora, R. (2018). Headache, Migraine Hemiplegic. Abgerufen unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30020674 (Stand: 01.07.2024).
4 IHS Klassifikation: Familiäre hemiplegische Migräne (FHM). Abgerufen unter: https://ichd-3.org/de/1-migrane/1-2-migraene-mit-aura/1-2-3-hemiplegische-migraene/1-2-3-1-familiaere-hemiplegische-migraene-fhm/ (Stand: 01.07.2024).
5 Medizinisch Genetisches Zentrum: Familiäre hemiplegische Migräne Typ 1 (FHM1). Abgerufen unter: https://www.mgz-muenchen.de/erkrankungen/diagnose/familiaere-hemiplegische-migraene-typ-1-fhm1.html (Stand: 01.07.2024).
6 Eurogentest: Merkblatt Dominant Inheritance. Abgerufen unter: https://www.eshg.org/fileadmin/eshg/committees/EGT/information-leaftlets/english/English_Dominant_Inheritance_updated_noteNov2022.pdf (Stand: 01.07.2024)
7 Kumar A., Samanta D., Emmady P. D. et al. Hemiplegic Migraine. In: StatPearls. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2024 Jan. Abgerufen unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK513302/ (Stand: 01.07.2024).